Sommerinterview in der Leonberger Kreiszeitung

Es ist eine feste Einrichtung. Immer in den großen Ferien bittet die Leonberger Kreiszeitung die Sprecher der Fraktionen und Gruppen des Leonberger Gemeinderats zum Diskurs. Ausführlich und ohne Zeitdruck können die Kommunalpolitiker ihre Positionen und Einschätzungen zu aktuellen lokalen Themen darlegen. Und sie bestimmen den Ort des Interviews.

„Leobad ist eine der großen Attraktionen“

Für Birgit Widmaier und Bernd Murschel von der Gemeinderatsfraktion der Grünen ist eine Verkleinerung des Bades kontraproduktiv. Ein mögliches Vereinszentrum sollte über eine längere Strecke realisiert werden.

Obwohl das Wetter nur mittelprächtig ist, herrscht im Leobad reger Betrieb. Dorthin haben der Chef der Grünen-Fraktion im Gemeinderat, Bernd Murschel, und seine Stellvertreterin, Birgit Widmaier, die LKZ zum Sommergespräch eingeladen. Der Stolz über seinen Wahlsieg bei der Landtagswahl im März ist dem Abgeordneten Murschel selbst jetzt noch anzumerken.

Frau Widmaier, Herr Murschel, Ihnen war es besonders wichtig, dass wir uns zum LKZ-Sommergespräch im Leobad treffen.

Birgit Widmaier: Ja, wir wollen damit unsere Verbundenheit zum Leobad demonstrieren. Dieses wunderschöne Freibad mit viel Grünflächen mitten in der Stadt muss unbedingt erhalten bleiben.

Das ist eine buchstäblich sehr teure Forderung. Die Sanierung ist mit 10 Millionen Euro veranschlagt.

Bernd Murschel: Dass es teuer wird, ist offensichtlich. Aber es gibt finanzielle Spielräume. Man muss prüfen, wo die Kosten gesenkt werden können. Wo können beispielsweise die Beckenfliesen bleiben, wo ist eine Edelstahlverkleidung langfristig wirtschaftlicher? Diese und andere Fragen müssen schnell beantwortet werden.

Wie sieht es mit dem inneren Wärmebecken aus, das erhebliche Kosten verursacht?

Murschel: Man könnte darüber nachdenken, das Wärmebecken zu verkleinern. Die Frage aber ist, ob das wirklich was bringt.

Widmaier: Das Wärmebecken ist gerade für ältere Menschen attraktiv. In der Summe haben wir ein Mehr-Generation-Bad, das Jung und Alt anspricht.

Eine Reduzierung der Liegeflächen könnte zu großen Einsparungen führen.

Murschel: Wir lehnen es ab, Flächen vom Bad abzutrennen. Das wäre schade. Die Lage des Bades ist ein zentraler Pluspunkt.

Widmaier: Gerade die Großflächigkeit macht das Leobad zu einer der großen Attraktionen der Stadt.

In unmittelbarer Nachbarschaft ist ein weiteres Großprojekt geplant. Ein Zentrum für einen aus TSG Leonberg und TSV Eltingen fusionierten Großverein. Kosten nach bisherigen Schätzungen: 10,8 Millionen Euro.

Murschel: Wir haben einige Projekte, die zweistellige Millionenbeträge kosten und die in keiner Weise im Haushalt abgedeckt sind. Dieses gehört dazu. Angesichts unserer Dauerschulden von mehr als 100 Millionen Euro sind mehr als 10 Millionen Euro für ein Vereinszentrum ein Batzen Geld. Da muss man schon sehr genau nachdenken.

Wie viel könnte die Stadt dazugeben?

Murschel: Wir wollen die Vereine unterstützen. Aber wir wollen und können keine Aussage über die Höhe einer möglichen Unterstützung machen. Das kann niemand seriös sagen.

Wie geht es weiter?

Murschel: Klar ist, dass die Gesamtsumme deutlich unter 10 Millionen Euro liegen muss. Aber bevor darüber gesprochen werden kann, muss es erst mal zur Fusion der beiden Vereine kommen. Das ist die Grundvoraussetzung. Es liegt dann an den Vereinen, das Projekt womöglich zu strecken.

Also keine Finanzierung auf einen Schlag?

Murschel: Dahinter setze ich ein großes Fragezeichen. Es dauert eher länger.

Zeichnet sich im Gemeinderat ein Stimmungsbild ab?

Widmaier: Im Gemeinderat wurde über dieses Thema weder diskutiert, noch gibt es Absprachen darüber.

Die Vorstände hatten ein Gespräch mit dem Finanzbürgermeister, bei dem ihnen offenbar signalisiert wurde, dass das Projekt finanziell darstellbar ist.

Murschel: Die Vorstände hatten vielleicht nicht im Blick gehabt, dass die Zusage eines Finanzbürgermeisters keine verbindliche Festlegung ist. Eine endgültige Entscheidung kann nur der Gemeinderat treffen.

Ein wichtiger Punkt innerhalb der Fusionsdebatte ist das TSG-Gelände, das nach einem möglichen Zusammenschluss der Vereine frei werden und forthin als Wohnraum genutzt werden könnte.

Widmaier: Unabhängig von der Frage nach einzelnen Gebieten sagen wir, dass der Gemeinderat deutlich stärkere Anstrengungen machen muss, um das Problem des bezahlbaren Wohnraums in den Griff zu bekommen. Auch mit anderen Modellen.

Was meinen Sie damit?

Widmaier: Es geht nicht nur um neue Quartiere. Die Stadt könnte auch bestehende Gebäude aufkaufen, um sie zu sanieren. Wichtig ist, dass wir eine soziale Durchmischung in den Wohnvierteln hinbekommen. Das ist im Gemeinderat Konsens.

Könnte eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft helfen?

Murschel: Die brauchen wir nicht. Das ist die teuerste aller Varianten. Wichtig ist, dass die Stadt Summen bereitstellt, die es ermöglichen, Mieten zu senken. Ziel ist, dass überall in der Stadt der Anteil an günstigem Wohnraum bei 10 bis 20 Prozent liegt.

Werden wir doch mal konkret: Neues Wohnviertel am Stadtpark: ja oder nein?

Widmaier: Es ist bedauerlich, dass dort Erholungsraum wegfallen würde. Aber notgedrungen tragen wir es mit, weil es eine schnelle Lösung ist. Wichtig ist, dass die Skaterbahn nicht ersatzlos gestrichen wird. Da sollen die Jugendlichen mitreden.

Die CDU will das Reiterstadion zumindest teilweise bebauen.

Murschel: Wir brauchen eine Gesamtplanung für die ganze Stadt, dazu gehört auch das Reiterstadion. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, den Pferdemarkt noch mehr auseinanderzureißen.

Immerhin tut sich demnächst was auf dem alten Bausparkassen-Gelände. Obwohl Sie mit den Plänen des Investors Layher seinerzeit nicht zufrieden waren.

Murschel: Unserer Meinung nach ist die Stadt Layher zu stark entgegengekommen, deshalb haben wir nicht zugestimmt. Dort entsteht auch kein günstiger Wohnraum. Andererseits ist eine jahrelange städtische Brache schlecht fürs Image. Als Demokraten akzeptieren wir den Mehrheitsbeschluss des Gemeinderates. Das Thema ist für uns abgevespert.

Die Bemühungen, das Nahverkehrsangebot im Zentrum zu verbessern, haben einen Rückschlag erlitten. Die Altstadtlinie wird mangels Resonanz eingestellt.

Widmaier: Vielleicht war der Bedarf für diese kurze Strecke doch nicht so groß. Außerdem war die Altstadt-Linie einfach nicht bekannt genug. Nun müssen wir versuchen, die Verbindung zwischen Leo-Center und Marktplatz in eine andere Linie zu integrieren. Ende 2017 haben wir Zugriff auf die Linie 92. Die bietet sich an.

Was sagen Sie zum Nahverkehr allgemein?

Widmaier: Tagsüber ist das Busnetz in der Gesamtstadt recht gut. Abends und an Wochenenden sind die Verbindungen in die Stadtteile schlecht. Außerdem sind die Preise recht hoch. Da überlegt sich so mancher, ob er nicht doch das Auto nutzt.

Bringt die Hermann-Hesse-Bahn, die den Nordschwarzwald mit der Region Stuttgart verbindet, eine Verbesserung?

Murschel: Ich unterstütze die Hesse-Bahn. Wichtig ist, dass es eine direkte Verbindung in den Ballungsraum gibt. Dort sind die meisten Arbeitsplätze.

Kritiker befürchten, dass durch die zusätzlichen Züge der Takt auf der S-Bahn-Linie 6 aus den Fugen geraten könnte.

Murschel: Sollte es wirklich zu Schwierigkeiten kommen, dann muss die Hesse-Bahn von Calw nur bis Weil der Stadt laufen und nicht bis Renningen.

Und eine S 6 direkt nach Calw?

Murschel: Da kann ich nur sagen: Wenn ihr morgen damit anfangt, bin ich der Erste, der klatscht. Und man muss sich natürlich fragen, warum diese Option nicht sehr viel früher angegangen worden ist.

Herr Murschel, Sie machen als Landtagsabgeordneter die unterschiedlichsten Erfahrungen. Erst in der Opposition, dann mit Grün-Rot und jetzt mit Grün-Schwarz.

Murschel: Es ist beeindruckend, das zu erleben. Die Opposition war die Vorbereitung für die Regierungszeit, in der wir sehr viele Leitlinien und Ideen entwickelt haben.

Politische Sandkastenspiele?

Murschel: Überhaupt nicht! Das war reale Haushaltspolitik, auf die wir nach der Regierungsübernahme 2011 sehr gut aufbauen konnten.

Wie unterscheiden sich SPD und CDU als Partner?

Murschel: Es ist zu früh, das zu beurteilen. Die CDU war nicht der Wunschpartner. Aber wir hatten diese Konstellation im Vorfeld in Erwägung gezogen.

Dass die Grünen stärkste Partei werden . . .

Murschel: . . . habe ich nach Weihnachten geglaubt. Man hat ab dieser Zeit so eine Grundströmung gespürt. Aber es ist schon irre, dass wir in Leonberg und in Böblingen die Wahlkreise direkt geholt haben.

Der Leonberger Wahlkreis ging an Sie.

Murschel: 35 Prozent in Leonberg, das ist kein Zufallsprodukt. Es erfüllt mich mit Befriedigung und Freude, dass die Menschen meine Arbeit honorieren.

Der optimale Rückenwind für die Oberbürgermeister-Wahl im kommenden Jahr?

Murschel: Einiges läuft ja schon unter Vorwahlkampf. Ich bin gerade in den Landtag gewählt und weiß, wo meine Schwerpunkte liegen. Für die OB-Wahl braucht es neue frische Gedanken. Eine Kandidatin oder ein Kandidat von den Grünen wäre eine gute Option. Ja, vielleicht sogar die beste.

Das Gespräch führte Thomas K. Slotwinski.

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