Beitrag im Amtsblatt vom 28. Februar 2024
von Sebastian Werbke
Es war dieses vermeintlich so harmlose und selbstverständliche Motto, weswegen sich am Sonntag, dem 28. Januar nach Polizeiangaben mindestens 1.200 Menschen auf dem Leonberger Marktplatz versammelten. Berichte über rechtsextreme Pläne für ein alternatives Deutschland lassen offensichtlich auch in Leonberg die Alarmglocken läuten. Insofern war es keine Überraschung, dass außer den Fraktionen und Gruppierungen aus dem Gemeinderat auch der Jugendausschuss, die örtlichen Helferkreise für Geflüchtete und der KZ-Gedenkstätten-Verein (um nur Einige zu nennen) sehr schnell den Aufruf der Grünen-Kreisrätin Angie Weber-Streibl für diese Kundgebung unterstützt haben.
Den im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppierungen wird ja immer gerne nachgesagt, dass man sich nie einigen könne, der Streit der Parteien die Entwicklung der Stadt hemme. Jetzt wurde deutlich, dass wir uns grundsätzlich sehr einig sind, wenn es um das Fundament unseres demokratisch geprägten Zusammenlebens geht. Zur Demokratie gehört allerdings auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen und Perspektiven, Diskussion, Streit und nicht zuletzt ein Konsens bzw. ein Kompromiss. Ein Ergebnis kann dann auch signalisieren: „Leonberg bleibt bunt“, wie es nicht nur bei unserer Kundgebung hieß, sondern beim Pferdemarkt vom Flaggschiff des Rathauses verkündet wurde.
In diese Richtung weist übrigens schon die im Mai 2019 im Gemeinderat mehrheitlich beschlossene „Charta der Vielfalt“, in welcher sich die Stadtverwaltung als Arbeitgeber verpflichtet hat, ein wertschätzendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Nun gut, offensichtlich muss hier noch an einer Optimierung gearbeitet werden. Aber der folgenden Aussage der Charta würden sicherlich nicht nur die 1.200 Menschen der Kundgebung zustimmen: „Wir können wirtschaftlich und als Gesellschaft nur erfolgreich sein, wenn wir die vorhandene Vielfalt anerkennen, fördern und nutzen.“
Was es andererseits für Folgen haben kann, wenn eine andere Einstellung die Macht gewinnt, wurde besonders durch den letzten Redebeitrag der Kundgebung deutlich. Die Vorsitzende des Vereins für die KZ-Gedenkstätte in Leonberg Marei Drassdo las eine kurze Textpassage aus den Erinnerungen von Ernst Bornstein vor. Er war wegen seines jüdischen Glaubens im März 1945 im Lager in der Seestraße eingesperrt: „Wie die meisten anderen meines Transports wurde ich zur Montage von Flugzeugteilen eingesetzt. Die Arbeitsstelle befand sich in einem zugemauerten Tunnel…(wo sich heute auf der alten Autobahntrasse die Gedenkstätte befindet, Anm. rsw) In diesen Wochen war Leonberg kein Arbeitslager mehr, es war ein Sterbelager. Der Tod beherrschte alle Gedanken im Lager.“
Nach unserer Kundgebung zeigten sich Teilnehmende von diesem Beitrag besonders betroffen. Einigen von ihnen war gar nicht bewusst gewesen, dass das Grauen so mitten in der Stadt geherrscht hatte. Die Parallele zu aktuellen Überlegungen am rechten Rand der Gesellschaft wurde drastisch klar und betont:
#NieWiederIstJetzt
Nicht nur in Leonberg können wir alle gemeinsam dazu beitragen, ein dauerhaft starkes Fundament für unsere Demokratie in der Stadt und in Europa sicherzustellen. Am 09. Juni werden in Baden-Württemberg die Kommunalparlamente (also Gemeinderat, Ortschaftsrat, Kreistag, Regionalversammlung) ebenso wie die Abgeordneten für das Europaparlament gewählt.
Die Gemeinden und Europa stehen in enger Verbindung. Die Leonberger Städtepartnerschaften mit Belfort in Frankreich und Rovinj in Kroatien sind hierfür lebendige Beispiele. Aus beiden Städten waren gerade wieder Delegationen zu Besuch anlässlich des Pferdemarkts. Weitere Begegnungen in diesem Jahr werden vorbereitet. Die Partnerschaften werden getragen von den Menschen in den Städten und die jeweils gewählten Vertreter:innen bringen immer neue Impulse mit. Am Beispiel von Rovinj und seiner Entwicklung nach dem Ende Jugoslawiens erläuterte dies der stellvertretende Bürgermeister David Modrusan. Europa steht für ihn als ein Garant für eine starke Entwicklung im Frieden.
„Gemeinsam für Demokratie“ funktioniert nur mit engagierten Menschen. Für die Wahlen im Juni sucht die Stadtverwaltung in diesem Jahr besonders viele Wahlhelferinnen und -helfer. Speziell die Auszählung der Kommunalwahlen wird dank unseres sehr komplexen Wahlrechts voraussichtlich wieder mehrere Tage dauern. Wenn alle mithelfen, die am 28. Januar deutlich gemacht haben, wie wichtig ihnen unsere Verfassung und unsere Demokratie sind, dann wäre das ein weiteres starkes Zeichen der Stadtgemeinschaft.
Nach dieser Kundgebung wird es sicher weitere Initiativen zum Schutz der Demokratie geben. Wichtig ist jetzt, dass sich Viele aktiv beteiligen. Dies ist nicht nur in den demokratischen Parteien möglich sondern auch in vielen anderen Gruppierungen, wo bürgerschaftliches Engagement gelebt wird.
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