von R. Sebastian Werbke.
Der grüne Fraktionsvorsitzende Bernd Murschel MdL brachte es auf den Punkt: „Ich habe schon 27 Haushalte mitgemacht, aber das habe ich so noch nicht erlebt.“
Erstmals wurde im Herbst 2016 der städtische Haushalt nach dem Neuen Kommunalen Haushaltsrecht (NKHR) eingebracht. Aber darauf bezog sich Murschels Äußerung nicht.
Seit dem Sommer hatten sich die StadträtInnen ebenso wie einige OrtschaftsrätInnen mit zwei separaten Schulungen auf die neue Struktur des Zahlenwerks vorbereiten lassen. Nach der traditionellen Einbringung durch den Finanzbürgermeister im Oktober war das Gesamtpaket in einer weiteren Sitzung für die interessierten Gremiumsmitglieder in vielerlei Einzelheiten erläutert worden. In den folgenden Wochen diskutierten die drei Ausschüsse sowie diverse Beiräte öffentlicher Einrichtungen (Schulen, vhs, Jugendmusikschule, Eigenbetrieben) die haushaltswirksamen Aspekte themenbezogen und trafen Entscheidungen über die von den Fraktionen und Gruppen eingebrachten Anträge. Diese Anträge waren das Ergebnis von Haushaltsklausuren der Fraktionen, in denen sich diese intensiv und intern mit ihren Vorstellungen zur Entwicklung der städtischen Finanzlage beschäftigt hatten
All dies musste von den MitarbeiterInnen der Kämmerei für die letzte Sitzung vor Weihnachten in einer weiteren Drucksache eingearbeitet werden. Und weil derzeit die Kämmerei personell geschwächt ist und zudem in letzter Minute die IT vorübergehend unter der Zahlenlast kollabiert war, kamen die Kämmerin und ihr treuer Adlatus deutlich nach dem geplanten Start in die entscheidende Sitzung, mit einem dicken, druckfrischen Stapel Papier für alle Anwesenden, über das nun entschieden werden sollte. Wohlgemerkt: diese Unterlagen wurden den Gemeinderäten erst in dem Moment vorgelegt. Eben diese Situation war nicht nur für den überraschten Murschel eine ungewohnte Erfahrung.
Immerhin war es den StadträtInnen fraktionsübergreifend in den vorausgegangenen Sitzung gelungen, durch einige Anträge das eingeplante Minus spürbar zu verringern. Dazu kam dem Finanzbürgermeister die gute Konjunktur zu Hilfe, die sich auch bei einer deutlich niedrigeren Kreisumlage bemerkbar macht als bei der Einbringung des Haushalts absehbar.
Zu strukturellen Änderungen wie von der grünen Fraktion vorgeschlagen konnte sich allerdings eine Mehrheit des Gremiums entgegen ihrer Haushaltsreden wieder mal nicht durchdringen. Unser Antrag, eine Planungsrate zur Abwicklung der hoch defizitären Stadthalle einzustellen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Und abgetan mit der Bemerkung, wir hätten das ja nur öffentlichkeitswirksam beantragt, weil wir wüssten, dass wir dafür keine Mehrheit bekommen würden. Eine etwas dünne Argumentation angesichts von bald 1 Mio Euro jährlichem Defizit und geforderten 800.000 Euro für neue Investitionen.
Immerhin folgte uns eine große Mehrheit, bei zwei aktuell eher undurchsichtigen Positionen des Haushalts eine 5%-Haushaltssperre anzubringen, wodurch sich über 1 Mio Euro einsparen lassen sollte.
Auch einem Lieblingsprojekt des 1. Bürgermeisters, welches sich seit Oktober bei jeder Diskussion um möglicherweise weitere 500.000 Euro verteuerte – ein „soziales Haus“ in Warmbronn, mit einem zudem noch nicht vollständigen überzeugenden inhaltlichen Konzept – wurde gemeinsam eine Haushaltssperre verordnet.
Für uns völlig überraschend kam zuletzt ein leider erfolgreicher Antrag der CDU, eine von uns beantragte Planungsrate von im Ergebnis 20.000 Euro für Jugendprojekte im Stadtpark zu verschieben. Diesen fatalen Antrag mit dem von uns vor zwei Jahren angestoßenen Mehrgenerationen-Spielplatz zu begründen ist wahrhaft phantasievoll. Die im Jugendforum sehr engagierten jungen MitbürgerInnen werden sich bestenfalls wundern, wie ernst ihre berechtigten Anliegen von der Mehrheit des Gremiums genommen werden.
Letztlich gab es dann für den nicht sehr erfreulichen Haushalt zur Freude der sichtlich bangenden Rathausspitze eine deutliche Zustimmung. Die Tatsache, dass die Stadt sonst möglicherweise bis in den April hinein finanziell nicht handlungsfähig sei, brachte das weihnachtlich gestimmte Gremium bei zwei Enthaltungen zum gemeinsamen Beschluss.
Einen Neuanfang beim Abbau des strukturellen Defizits haben wir damit allerdings um ein weiteres Jahr verschoben.
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