Der Altstadt-Tunnel – ein Verkehrs-Zombie wird wach geküsst

Beitrag im Amtsblatt vom 27. April 2017

von R. Sebastian Werkbke

Man sollte es am besten als misslungenen April-Scherz abtun, aber das Zusammenspiel der Beteiligten ist bezeichnend und ärgerlich. In der letzten Sitzung des Gemeinderats war auf der Tagesordnung auch eine Stellungnahme der Stadt Leonberg zum Entwurf des Regionalverkehrsplans (RVP) aufgeführt. Die dazu vorgelegte Drucksache der Verwaltung dampfte die viele hundert Seiten dicke Untersuchung des Regionalverbands auf 14 Seiten ein. Davon waren auf vier Seiten Straßenbauprojekte ausführlich dargestellt.

Sicherlich war es der ehrenwerte Versuch, die komplexe und kaum überschaubare Materie für uns ehrenamtliche StadträtInnen handhabbar zu machen. Im Ergebnis wurde aber die Vielfalt der Perspektiven der regionalen Mobilitätsplanung bis zum Jahr 2025 so verengt, dass einzelnen wenigen Mitgliedern des Gremiums nur noch der Tunnelblick blieb.

Erschwerend kam allerdings hinzu, dass aus der doch insgesamt offeneren Diskussion des Gremiums in der Berichterstattung dieser eine Aspekt herausgepickt wurde, der wohl besonders auflagenwirksam zu sein versprach. Plötzlich feiert ein Tunnel fröhliche Urstände, dessen Ende nicht nur auf der Grafik in der LKZ völlig offen ist. Wenn die Autos denn wirklich wie in einem schwarzen Loch vollständig verschwinden würden, ließe sich über eine solche Lösung der Leonberger Verkehrsprobleme sicherlich diskutieren. Es ist aber unverantwortlich, so zu tun, als wäre ein Tunnel die Heilsbotschaft für die (Innen-)Stadt, wenn doch völlig unklar ist, wo die so ko­mod im Norden verschwindenden Autos beim Auftauchen unterhalb des Pomeranzengartens hingeleitet werden sollen.

Im Entwurf des RVP wird diese Unter(ver)führung regional so bewertet, dass sie neben vielen anderen mit hoher Priorität erst nach viel mehr Maßnahmen mit höchster Dringlichkeit aufgeführt wird. Und dabei ist noch gar nichts über die Finanzierung gesagt.

Vielleicht wurde der Tunnel ja auch nur deshalb in der Drucksache und der Stellungnahme der Stadt erwähnt, weil durch ein Junktim mit seiner Fertigstellung die unerwünschte zusätzliche A81-Anschlussstelle „Ditzingen-Süd“ verhindert werden soll?

Aus der Landespolitik wissen wir jedenfalls, dass nach Abschluss anderer höchst problematischer Straßentunnelprojekte in Baden-Württemberg die Landesregierung kaum motiviert ist, noch mehr Millionen Euro tieferzulegen, wenn es oberirdisch reichlich Löcher in Landesstraßen zu flicken gilt.

Bedauerlich ist es, dass wir alle es nicht geschafft haben, aus dem Entwurf andere Aspekte in der Stellungnahme zu akzentuieren, die tatsächlich und perspektivisch wirksam auch hier vor Ort den Einstieg in die Verkehrswende unterstützen. Im RVP wird unter anderem die intermodale Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger genannt, also die Verknüpfung z.B. von Auto und ÖPNV. Mit dem regionalen Mobilitätspunkt am S-Bahnhof wird Leonberg in diesem Jahr einen weiteren Schritt in diese Richtung machen: Stellplätze für Car-Sharing-Fahrzeuge, eine abgeschlossene Fahrrad-Abstellanlage und ein modernes, digitales Informationsangebot sind nur einige Aspekte, welche das Umsteigen in die S-Bahn materiell und mental erleichtern werden.

Im März hat die neue „Kommission für nachhaltige Mobilität“ als beratendes Gremium des Gemeinderats ihre Arbeit aufgenommen. Gezielt können hier die Perspektiven unterschiedlicher TeilnehmerInnen der mobilen Gesellschaft zu einem tragfähigen Gesamt-Verkehrskonzept beitragen. Wir Grüne sind überzeugt, dass unterirdische Verkehrsideen aus dem letzten Jahrhundert auch durch Anregungen aus dieser Kommission abgelöst werden können. Deshalb hatten wir für die Sitzung Anfang April einen interfraktionellen Antrag mit Themen der Kommission vorbereitet, der fast einstimmig von StadträtInnen aller Fraktionen und Gruppierungen mitunterzeichnet wurde.

Eine Verkehrspolitik nach dem Motto „Aus den Augen – aus dem Sinn“ ist es jedenfalls nicht, was in Leonberg auf Dauer zu mehr Lebensqualität in der Stadt führt.

 

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