Beitrag im Amtsblatt vom 13.10.2021
von Katharina Staiger und Gudrun Sach
Bauen an der Berliner Straße?
Doch, auch die grüne Fraktion ist dafür – aber richtig und mit Augenmaß! Was „richtig“ heißt, ist für uns ziemlich klar:
Innen vor außen, kurze Wege, wenig Flächenverbrauch, Schonung des Naturraums, nachhaltige Baumaterialien, wasserdurchlässige Böden, bezahlbarer Wohnraum und eine lebendige Stadtstruktur mit engagierten Bürgern.
Was heißt das für die Berliner Straße?
Lage: Natürlich gilt die alte Regel „Innen vor außen“ mehr als je, also eher an die Berliner Straße bauen als auf eine grüne Wiese außerhalb. Hier ist ja auch die Anbindung mit kurzen Wegen, Bushaltestelle und Fahrradweg gegeben.
Ausdehnung: Weil eine geschlossene Baureihe direkt an der Straße entlang zwar platzsparend, aber hässlich wäre, sind wir für eine etwas aufgelockerte, leicht versetzte Bebauung. Die darf aber nicht zu weit nach Westen gehen, nicht etwa bis an den geschützten Teil des Stadtparks heran – der Teil muss frei bleiben. Besonders die dichten Hecken an dem Weg und die wertvollen alten Bäume im Süden des Gebiets müssen unbedingt bewahrt werden; denn das Umpflanzen (auf das man uns manchmal vertrösten will) klappt kaum.
Höhe: Natürlich muss man, um Platz zu sparen, etwas in die Höhe gehen, aber in vernünftigem Maß – die Nachbargebäude haben vier bis fünf Etagen. Ein erster Entwurf wollte uns zehn Stockwerke ausgerechnet auf dem höchsten Punkt des Geländes einreden – das ist jetzt vom Tisch, der höchste Punkt des Geländes bleibt frei von Bebauung. Wir haben in Leonberg genug schlechte Erfahrungen mit allzu hohen Gebäuden gemacht!
Bauweise: Wir brauchen kreative Bauformen statt monotoner Schuhkartons und Holzmodule im Geschossbau statt bloßem Beton.
Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir an zunehmenden Starkregen denken und an die Versickerung: Wir brauchen echte „Schwammstädte“ statt nur ein bisschen Rasen über Tiefgaragen. Fotovoltaik in Kombination mit Dachbegrünung gehört zur Niedrigenergie-Bauweise dazu, ebenso ein Nahwärmenetz mit zentraler Versorgung.
Struktur: Nur eine Mischung unterschiedlicher Preiskategorien von Wohnraum bewahrt eine Stadt vor Gettoisierung – das war bei der Berliner Straße zuerst nicht allen im Rathaus klar. Und zum Wohlfühlen gehört natürlich eine Infrastruktur mit Kita, Plätzen, Treffpunkten im Quartier.
Bauherr: Für die Berliner Straße läuft gerade das Auswahlverfahren unter den Investoren. Aber für die Zukunft: Warum muss es denn immer ein Investor sein? Warum nicht lernen aus der Reihe schlechter Erfahrungen mit Investoren? Lernen aus den bis zum letzten Meter ausgemosteten Gebieten, aus den riesigen Schutthaufen, aus den chaotisch geplanten Einfahrten usw.? Warum traut sich die Stadt Leonberg nicht an Kommunalen Wohnungsbau oder ein genossenschaftliches Modell? Da kommen natürlich die Gegenargumente, dass die Stadt ja das Geld vom Investor gerade jetzt so dringend brauche oder gerade jetzt so eine dünne Personaldecke habe oder… Aber jedes Grundstück lässt sich nur einmal verkaufen, und was das Personal angeht: Andere Städte vergleichbarer Größe in der Nähe kriegen eine Wohnbaugesellschaft hin – das ist sicher zukunftsfähiger als die bloße Hoffnung auf einen Investor.
Flächennutzungsplan: Dass an der Berliner Straße ein schmaler Streifen bebaut werden soll, sieht noch der 20 Jahre alte Flächennutzungsplan vor.
Jetzt geht es daran, Leonbergs Zukunft in einem neuen Flächennutzungsplan zu überdenken, der auf verschiedenen Ebenen und natürlich auch mit einer breit angelegten Bürgerbeteiligung beschlossen werden wird.
Das braucht mehr Mut als bisher und klare Vorgaben: Dazu gehören verlässliche Bevölkerungsprognosen und eine ernsthafte Debatte darüber, wie weit Leonberg eigentlich noch wachsen soll. Dazu gehört auch eine generelle Linie, wo noch Verdichtungspotentiale liegen und wo leerstehender Wohnraum genutzt werden kann. Wir brauchen einen quartiersbezogenen Plan, der Arbeit, Wohnen und Infrastruktur verbindet. Nur so kann Lebensqualität geschaffen werden in Verbindung mit einem besseren ÖPNV, mehr Rad- und Fußwegen.
Daran arbeiten wir gerne mit. Bauen ja, aber mit Augenmaß!
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